Die Kreativwirtschaft ist ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftszweig. Um die Vielzahl kleiner und kleinster Unternehmen zu unterstützen, hat die Bundesregierung im Jahr 2009 eine Initiative gestartet. Die Initiative „Kultur- und Kreativwirtschaft“ unterhält mehrere Regionalbüros, in denen sich Kultur- und Kreativschaffende beraten lassen können. Stephanie Hock ist eine der regionalen Ansprechpartnerinnen. In einem kurzen Interview beantwortet sie Fragen zu ihrer Arbeit.
Die Bundesregierung möchte kreative und kulturelle Leistungen fördern und hat hierfür das „Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes“ eingerichtet – können Sie mehr zu den Hintergründen sagen und warum die Kultur- und Kreativwirtschaft der Regierung so wichtig ist?
Stephanie Hock: Die Bedeutung der Kultur- und Kreativwirtschaft in Deutschland lässt sich am besten verdeutlichen, wenn man sich vor Augen hält, dass inzwischen über 240.000 Unternehmen mit mehr als 1,6 Mio. Erwerbstätigen in dieser Branche aktiv sind. Zusammen tragen sie über 60 Mrd. Euro zur Bruttowertschöpfung in Deutschland bei und damit mehr als andere große Wirtschaftszweige wie die Chemische Industrie oder Energieversorgung. Gleichzeitig besteht die Branche zum allergrößten Teil aus Kleinstunternehmen bzw. Mikrounternehmen und Freiberuflerinnen und Freiberuflern, was ein wichtiger Unterschied zu anderen Branchen darstellt und weswegen diese Branche nach außen lange Zeit nicht sichtbar war. Um das Potenzial dieser noch recht jungen Branche zu stärken, ihr mehr „Gesicht und Gewicht“ zu geben sowie ihre Akteure zu fördern, wurde im Jahr 2009 das Kompetenzzentrum Kultur- und Kreativwirtschaft des Bundes ins Leben gerufen. Es fungiert als eine erste Anlaufstelle für Kultur- und Kreativschaffende.
Wie sieht Ihre Arbeit für das Kompetenzzentrum konkret aus? Wer kann sich an Sie wenden und wie können Sie helfen?
Stephanie Hock: An sich steht unser Angebot für jeden offen, der mit seiner kulturellen oder kreativen Tätigkeit seinen Lebensunterhalt bestreiten möchte. Dabei versuchen wir durch unser Angebot der kostenfreien Orientierungsberatungen sowie Informations- und Vernetzungsveranstaltungen eine Hilfestellung auf dem Weg der Selbstständigkeit zu geben. Und es spielt keine Rolle, ob frischer Uniabsolvent, langjährige Projektemacherin oder kreativer Quereinsteiger: jeder ist willkommen. Praktisch verstehe ich mich im Gespräch als eine Art “Sparringspartner”, stelle die richtigen Fragen und versuche zusammen mit meinem Gegenüber grundsätzlich zu klären: “was ist meine Idee und wie realisiere ich sie?”. Es handelt sich dabei um individuelle Gespräche, d.h. ich suche gemeinsam nach Antworten und Ansätzen, die zu meinem Gegenüber und der konkreten Frage passen.
Wie ist aus Ihrer Perspektive die wirtschaftliche Situation der Kultur- und Kreativschaffenden zu sehen? Wo hakt es und wie könnte es verbessert werden?
Stephanie Hock: Mein Eindruck aus den Gesprächen ist, dass sich Kultur- und Kreativschaffende oftmals z.B. als Musiker, Künstler oder Designer verstehen, nicht aber als Unternehmer. Es sind zunächst kreative Ideen, aus denen häufig erst zu einem späteren Zeitpunkt unternehmerische werden. Fragen, die sich dann stellen, sind die nach der richtigen Preisgestaltung, der Suche nach potenziellen Kunden und Kooperations- oder Geschäftspartnern. Auch die Frage, wie man diese Kunden erreichen kann, stellt sich, vor allem dann wenn die Ressourcen überschaubar sind. Einige meiner KlientInnen können noch nicht von ihrer eigenen Idee leben und müssen bspw. durch Nebenjobs ihren Lebensunterhalt dazu verdienen. Und genau hier setzen wir an und möchten Wege ausloten.
Für angestellte Mitarbeiter kommt demnächst der Mindestlohn – bräuchten Freiberufler aus der Kreativwirtschaft ähnliche Instrumente wie Anwälte oder Steuerberater mit ihren Gebührenordnungen?
Stephanie Hock: Zumindest für einen Teil der Kreativschaffenden gibt es eine solche Gebührenordnung ja bereits: für die Architekten. In den Orientierungsberatungen stellen wir fest, dass es sich vielfach um kreative Produkte handelt, die es so noch gar nicht gibt. Viele Tätigkeiten sind keinem bestimmten Teilmarkt oder nur einer Branche zuzuordnen. Sie sind neuartig oder bilden einen Mix verschiedener professioneller Tätigkeiten. Hier setzen wir mit unseren Tätigkeiten an. Wichtig ist, sich individuell seines Wertes bewusst zu werden und Kunden gegenüber selbstbewusste Preise aufzurufen.
Welche Tipps können Sie solo-selbständigen Freelancern geben?
Stephanie Hock: Ein Tipp wäre, sich mit Gleichgesinnten, potenziellen Kunden und Partnern auszutauschen. Also quasi Werbung für sich selbst zu machen und nicht zu warten, dass irgendwann jemand an die Tür klopfen wird, der mein Produkt kaufen oder meine Dienstleistung in Anspruch nehmen möchte. Es kann dabei sicherlich gerade in der Anfangsphase schwierig und langwierig sein, sich einen Kundenstamm aufzubauen. Aber auch dabei kann man kreativ vorgehen. Kreativität hört beim Geld nicht auf und als selbständiger Kreativschaffender hat man für diese Kreativität auch Freiheiten.
Eine weitere Fragestellung ist: Wie kann ich meine Idee vervielfältigen? Eine Idee ein zweites Mal zu denken und zu verkaufen, empfinden Kreativschaffende oftmals als langweilig. Es kann aber durchaus ökonomisch sinnvoll sein, seine Idee ein zweites oder drittes Mal zu verkaufen und so aus einem One-Hit-Wonder einen Evergreen zu machen.
Wie ist Ihre Einschätzung für die Zukunft? Wird sich die Situation ändern, wenn in den nächsten Jahren die Babyboomer ins Rentenalter kommen?
Stephanie Hock: Aus der Erfahrung der Orientierungsberatungen heraus merken wir, dass die Begeisterung für die eigene kreative Tätigkeit mit dem Alter nicht abnimmt. So sind rund 40 % der Personen, die zu uns in die Beratung kommen und uns von ihrer Idee erzählen, über 40 Jahre alt, 16 % sind über 50. Von einem Wunsch nach dem “Rückzug ins Rentnerdasein”, kann man hier also gar nicht so sehr reden. Die Frage nach der Absicherung im Alter spielt aber natürlich bei den Kultur- und Kreativschaffenden eine wichtige Rolle, wie auch in vielen anderen Wirtschaftsbranchen und Gesellschaftsbereichen.
Vielen Dank für die Auskünfte.
Hinweis: Die Website der Initiative mit weiteren Infos und mit Adressen der Regionalbüros ist zu finden unter www.kultur-kreativ-wirtschaft.de.