Vor einigen Tagen war hinter der Bezahlschranke der WELT ein Artikel publiziert worden über die bescheuerten und absurden Auswirkungen zur Scheinselbständigkeit.
Eine Novellierung des „Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes“ hat jetzt dafür gesorgt, dass neben Regelungen zur Zeitarbeit auch Regelungen zu Werkverträgen verschärft wurden.
Der Witz dabei: ob ein externer Mitarbeiter als Scheinselbständiger eingestuft wird, entscheidet eine Stelle der Deutschen Rentenversicherung. – und im Zweifelsfall wird diese Stelle natürlich entscheiden, dass ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis vorliegt, die Sozialkassen brauchen schließlich stets Knete für den immer weiter ausufernden Sozialstaat.
Das hat Folgen: im Juli haben Vertreter deutscher Konzerne (darunter BASF, Daimler, Telekom) einen Appellbrief an Arbeitsminister Hubertus Heil geschrieben und betont, dass ihre Unternehmen auf die Zusammenarbeit mit externen Experten wie IT-Fachleuten oder Analysten angewiesen seien. Sie verweisen darauf, dass Experten ins Ausland abwanderten, was die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen gefährde.
Vor allem angesichts der digitalen Transformation mit zunehmender Projektarbeit, greift das Konzept der Scheinselbständigkeit mit den starren Regelungen des Arbeits- und Sozialrechts nicht mehr richtig – Wirtschaft und damit auch Arbeitswelt sind nun einmal notwendigerweise flexibler geworden.
Im Artikel gibt es das Beispiel eines langjährigen und hochbezahlten IT-Selbständigen, der darauf hinweist, dass für ihn das Problem lösbar sei, wenn er seine Arbeitskraft über eine Zeitarbeitsfirma verkaufe, wobei dann natürlich die Zeitarbeitsfirma der lachende Dritte sei, während bei ihm als dem Angestellten einer Zeitarbeitsfirma das Honorar bzw. die Einkünfte schrumpften. Die Alternative wäre, im Ausland (in diesem Fall in Estland) eine Kapitalgesellschaft zu gründen. Das eine ist so absurd wie das andere. War das von den Politikern wirklich so gewollt?
Selbständig = ausgebeutet = schutzbedürftig?
Klar, die Politiker haben diese ganzen Gesetzeskonstrukte auf den Weg gebracht, um Selbständige in prekär bezahlten Branchen zu schützen. Ob Putzleute oder Pizzafahrer: es geht darum, diese Leute in ein reguläres Arbeitsverhältnis zu bringen, mit Sozialversicherungsabgaben (wo soll später die Rente herkommen?) und mit geregelten Arbeitszeiten und allem anderen Pipapo für hilflose und geknechtete Existenzen. Aber auf einen Großteil der Selbständigen trifft das Bild des schutzbedürftigen, ausgebeuteten Zwangsarbeiters doch gar nicht zu!
Im WELT-Artikel wird auch der Lösungsansatz der SPD-Politikerin und Betriebswirtin Michaela Mellinger aufgezeigt. Über die Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen (AGS) in der SPD hat sie sich mit dem Thema beschäftigt und auf dem diesjährigen Landesparteitag der Bayern-SPD einen Antrag eingebracht, bei der Statusfeststellung künftig die Honorarhöhe zu berücksichtigen. Denn bei einem Tagessatz, der deutlich über dem Einkommen von Angestellten liege, könne doch keine Rede mehr sein von einer Scheinselbständigkeit. Leider kam der Antrag nicht durch – und sie ist aus der Partei ausgetreten.
Nein, ich brauche Euren hyperbürokratischen „Schutz“ nicht
Wenn ich so etwas höre oder lese, dann kommt bei mir immer die Frage hoch, in welcher Welt die Politiker eigentlich leben und was sie für Vorstellungen von Selbständigen haben.
Ich selbst hatte vor zwei Jahren für ein Unternehmen in einer der verdächtigen Branchen gearbeitet. Das war ein Auftrag über zwei Wochen. Dieses Jahr wurden wohl die Belege des Unternehmens geprüft und ich erhielt Post mit einem x-seitigen Formular, das auszufüllen war. Hat mich zwei oder drei Stunden an Zeit gekostet und mich einfach nur genervt. Zwei Wochen Arbeit! Danach nichts mehr! Und dann wird zwei Jahre später geprüft, ob das scheinselbständig war!
Nein, liebe Politiker und Bürokraten, ich brauche keinen Schutz und ich fühle mich nicht ausgebeutet (oder wenn ausgebeutet, dann durch mich selbst, weil ich so dämlich bin, die Zeit an den Wochenenden mit meinen Technikfragen, mit meinen Blogs, mit meinem eigenen Marketing oder ähnlichem Zeug zu verbringen)!
Aber ich fühle mich zunehmend entmündigt durch einen Nanny-Staat, der meint, er wüsste am besten, was gut für mich ist. Nein, das ist nicht gut, das nervt!